Northeim. Gerade im höheren Alter sind depressive Erkrankungen sehr häufig. Außerdem werden sie häufig nicht erkannt oder zu wenig behandelt. Oft fehle im medizinischen Alltag die Zeit, die Symptome einer Depression zu erkennen. Dann kann die schwerwiegende Erkrankung chronisch werden.
Was sind typische Zeichen einer Depression?
Typische Symptome sind gedrückte Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebslosigkeit und gesteigerte Ermüdbarkeit oder Erschöpfung. Begleitende Krankheitszeichen können zum Beispiel Konzentrationsstörungen, ein vermindertes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, pessimistische Gedanken, Gedanken an Selbsttötung, Schlaf-, Appetit- und Störungen des Geschlechtstriebes sein.
Die Krankheitszeichen müssen mindestens zwei Wochen lang anhalten, damit man von einer Depression sprechen könne.
Über Depressionen wird oft nicht gesprochen
Depressionen sind laut Dr. Martin Lison die zweithäufigste psychische Erkrankung nach Angsterkrankungen. Bei mehr als der Hälfte der Betroffenen beginnen sie vor dem 31. Lebensjahr, aber auch im hohen Lebensalter sind sie häufig. Dennoch werden sie häufig tabuisiert – es wird nicht oder nicht offen darüber gesprochen. „Depressionen haben so gut wie immer nicht nur eine, sondern mehrere Ursachen“, sagt Chefarzt Dr. Martin Lison. Auslöser seien oft Lebensereignisse, wie zum Beispiel Scheidungen oder der Eintritt in den Ruhestand. Die diagnostische Herausforderung bestehe darin, die Krankheit „Depression“ von anderen Erkrankungen zu unterscheiden.
Depression als Früh- oder Begleitsymptom
Depressionen können als Frühsymptom bei Demenz, Schizophrenie und zum Teil auch bei Krebs auftreten. Sie können als Begleitsymptom bei Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen und schweren körperlichen Erkrankungen in Rolle spielen. Sie können Nebenwirkung von Medikamenten sein (Beta-Blocker, Psychopharmaka). Depressionen können Reaktion auf belastende Lebensumstände (Trauer, Konflikte, finanzielle Sorgen, Migration, Geburt oder Auszug von Kindern, Rente) sein. Depressionen werden laut Dr. Martin Lison aber auch als Mittel der Kommunikation eingesetzt, um Ziele zu erreichen (zum Beispiel eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung). Schließlich können sie eine physiologische Reaktion sein (Trauer).
Psychotherapie und Medikamente
„Je stärker die Depression ist, desto mehr werden Medikamente eingesetzt. Bei leichteren Depressionen ist die psychotherapeutische Behandlung das Mittel der Wahl“, berichtete der Chefarzt bei der KVHS. Depressionen sind in der Regel gut behandelbar – wenn sie als solche erkannt werden.
Sport und Training können helfen
Bei Depressionen im Alter gäbe es im Prinzip kaum Unterschiede zu anderen Depressionen. Häufig ständen aber körperliche Beschwerden überlagernd im Vordergrund. Appetitstörungen mit Gewichtsverlust, Verstopfung, Schmerzen, Druckgefühl könnten Hinweise sein. Sport, Training und die Verbesserung der Motorik und Beweglichkeit zum Beispiel durch gymnastische Übungen zur Verbesserung der Koordination und des Gleichgewichts können sich positiv gegen Depressionen auswirken. Depressionen im Alter sind auch im Alter eine Erkrankungsgruppe und kein normaler Bestandteil des Alterns („Altersdepression“). „Wir sind als eines der reichsten Länder der Welt bei der Betreuung von alten Menschen immer noch nicht gut aufgestellt. Da muss sich was ändern!“, fordert der Chefarzt.
Weiter an gesellschaftlicher Akzeptanz arbeiten
Sarah Ohst, Programmbereichsleiterin Gesundheit bei der KVHS hat das folgende Fazit gezogen: „Nach der großen Resonanz im Sommersemester konnten wir nun unsere Vortragsreihe zum Thema Depression erfolgreich fortsetzen. Auch im Wintersemester fanden in Zusammenarbeit mit der Roswitha-Klinik Bad Gandersheim und der Gesundheitsregion Göttingen/Südniedersachsen insgesamt vier Vorträge statt. Es tut sich bereits einiges in diesem Bereich, so wurde im September das „Bündnis gegen Depression in Südniedersachsen“ gegründet. Trotzdem müssen wir weiter an der gesellschaftlichen Akzeptanz psychischer Erkrankungen arbeiten – die KVHS Northeim wird sich auch in Zukunft gern weiter in diesem wichtigen Bereich engagieren und themenbezogene Veranstaltungen anbieten.“
Interview mit Dr. Martin Lison zum Thema Depressionen
Interview mit Dr. Martin Lison zum Thema Depressionen in der Arbeitswelt